Vor dem Start standen Boris und Felix für ein Interview für Lobster One zur Verfügung, dass einige interessante Einblicke in die Hintergründe der Regatta gibt, fotographisch begleitet von Ingrid Abery/www.hotcapers.com:
L1: Es sind sechs 40-Füßer zur Regatta gemeldet, davon vier Class 40, die zweihand gesegelt werden. Wie schätzt Ihr Eure Konkurrenz ein?
Boris Herrmann: Die britische MOWGLI wird von Dave Thomson und Jeremy Salvesen gesegelt. Dave ist der Bruder von Alex Thomson und sehr erfahren, Jeremy weniger, was die Crew zu einem gegensätzlichen Gemisch macht. Die beiden Holländer [Anm.: segeln für Südafrika] auf KAZIMIR PARTNERS sind Superyacht-Segler, die wir performancemäßig wohl ganz gut in Schach halten könnten, die aber gute Seeleute sind, die ihr Schiff sicher ins Ziel bringen werden. Dann gibt es noch den Chilenen [Anm:. Felipe Cubillos auf DESAFIO CABO DE HORNOS] mit einem brandneuen Schiff und einem Profi-Co-Skipper. Der ist der gefährlichste Gegner aus meiner Sicht.
L1: Es segeln vier Class 40 zweihand und zwei Open 40 einhand. Wie vergleichbar sind die geseglten Zeiten?
Boris Herrmann: Die Solo 40 sind leichter und damit besonders auf der ersten Etappe, die leichte Winde verspricht, durchaus mal im Vorteil. Wir möchten natürlich vor allen sein, und uns vor allem nicht gerade von einem Einhandsegler schlagen lassen.
L1: Dann wird es also durchaus spannend, wer als erster ankommt, auch wenn die Schiffe nicht die selben sind und die einen mit der halben Crew der anderen fahren?
Boris Herrmann: Das hebt sich alles mehr oder weniger auf, der eine hat beispielsweise den Nachteil, dass das Schiff recht alt ist, es dafür aber einen Schwenkkiel hat.
L1: Das Leistungspotential scheint ja recht ähnlich zu sein, keiner ist sowohl Vollprofi, auf dem Schiff schon viel gefahren und hat eine solche Strecke hinter sich, sondern jeder erfüllt mindestens einen dieser Punkte nicht, aber es sind auch keine Abenteurer dabei, die unterwegs erst Segeln lernen müssen.
Boris Herrmann: Das würde ich auch so sagen, unsere vier Class 40s sind von der Ausstattung und von dem, was sie investieren, ziemlich gleich, wobei man sagen muss, dass der Chilene eindeutig das schönste Schiff hat und auch am meisten investiert hat, aber wir haben zum Beispiel den Vorteil, dass wir schon zwei Transat-Rennen mit dem Schiff hinter uns haben und das Schiff ist auch erwiesenermaßen ganz gut.
L1: Jetzt sind Schiff und Mannschaften etwas unterschiedlich, scheinen aber unterm Strich mehr oder minder gleichwertig zu sein. Wird da jemand als Favorit gehandelt?
Boris Herrmann (zögert): Wir so ein Bisschen...
L1: OK, das war nicht ganz fair, dass ihr Euch jetzt selbst outen musstet. Ihr seid eine junge und fitte Crew, ihr habt ein schnelles Schiff, ihr seid nicht unterbudgetiert, da muss man sich dann nicht wundern, wenn ihr ganz vorne landet.
Boris Herrmann: Nein, eigentlich nicht. Wir sind ja auch beide richtige Regattasegler, wobei die beiden holländischen Segler zum Beispiel zwar Segelprofis sind, aber eben in der Superyachtszene.
L1: Die Meldezahlen sind nicht überragend, gibt es Konkurrenzveranstaltungen, die sich die Teilnehmer gegenseitig wegnehmen?
Boris Herrmann: Nein, Konkurrenzveranstaltunegn gibt es nicht. Die Class 40 hat ihre nächste Veranstaltung erst im Oktober nächsten Jahres, die so genannte "Route du Chocolat". Das Transat Jacques Vabre wird es erstmal nicht mehr geben, weil Jacques Vabre mit dem Untergang der ORMA-Klasse als Sponsor ausgestiegen ist.
Ein Grund für die Meldezahlen bei diesem Rennen ist, dass die Class 40 Klassenvereinigung das Rennen nicht unterstützen wollte, weil die Klassenvorstände eher das Amateursegeln bevorzugen. Dazu wird formal gesagt, dass die Class 40 für Transat-Rennen gedacht war und [ISAF-] Category 1 klassifiziert ist, und nicht für Round-the-World und Category 0. Deshalb wurde dieses Rennen nicht unterstützt. Inzwischen wird aber diskutiert, dass alle Class 40 Category 0 fahren sollen und dieses Round-the-World Race ins Programm aufgenommen wird. Wenn das geschafft ist, dann glaube ich hat dieses Rennen das Potential, zu einem kleinen Vendee Globe zu werden.
L1: Es sollte im November das Spice Race vom Solent nach Grenada stattfinden, wo auch die Class 40 zu eingeladen wurde. Das ist aber gerade abgeblasen worden. Wäre das nicht das eigentliche Rennen für die Class 40 gewesen, gerade weil es „nur“ über den Atlantik geht?
Boris Herrmann: Die Class 40-Leute sind sehr individuelle Persönlichkeiten, darunter viele Franzosen, und Tony Lawson [Anm.: der Veranstalter des Spice Race] hat so eine ganz andere Art, mit Bikini-Models auf der Kielbombe [Lobster One berichtete am 08. August 2008] und auf einem Ferrari. Das war so ein Kontrast zur französischen Community, ein richtiger „Culture Clash“.
L1: Ja, das ist zwar Publicity, mit der man erstmal weit kommt, das ging ja durch die gesamte Presse, weil endlich mal ein Bikini zu sehen war, und nicht nur Ölzeug, aber im Endeffekt war es dann wohl doch zu kurz geschossen...
Hätte das Portimao Global Ocean Race mehr Zuspruch gehabt, wenn das Spice Race früher abgesagt worden wäre?
Boris Herrmann: Es gab noch Sponsoren, gerade brasilianische, die gerne ein Team unterstützt hätten, aber so schnell stellt man kein Team zusammen. Die Zahl der Meldungen hängt sicherlich damit zusammen, dass die Veranstaltung von einem Briten und einem Amerikaner gemacht wird, aber 90% der Szene völlig frankophil sind und teilweise gar nicht lesen können oder vielleicht auch gar nicht wollen, was auf der englischsparchigen Webseite steht. Manche gucken sich das gar nicht erst an, wenn es auf Englisch ist. Aber wenn jetzt fünf Schiffe ins Ziel kommen und die Klasse sich noch dahinter stellt, dann haben sie, glaube ich, Erfolg mit dem Rennen.
L1: Auf Presseseite merkt man, dass da noch nicht so viel Man-Power dahinter steckt, aber das wird sich sicherlich ändern, wenn die Anfragen auf die Organisatoren zurollen.
Boris Herrmann: Wir sind eigentlich sehr zufrieden, auch mit dem kleinen Feld, das macht uns nicht aus. Alle Teilnehmer sind so überzeugt von dem Rennen, viele wäre auch ohne Konkurrenten losgefahren und hätten vielleicht versucht, einen Um-die-Welt-Rekord aufzustellen oder den Traum zu verwirklichen, Kap Horn zu umrunden, im Süden gesegelt zu haben, das ist auch ein Riesen-Plus, wenn man mal die Vendee Globe segeln will.
L1: Ich danke Dir ganz herzlich und wünsche Euch alles Gute und viel Spaß. Wenn Felix noch etwas Zeit hat, dann würde ich auch nochmal kurz mit ihm sprechen.
Felix, über die Veranstaltung haben wir jetzt schon viel gesprochen. Du sagtest, dass eure Familien gerade bei Euch waren. Wie macht ihr das auf den verschiedenen Etappenzielen?
Felix Oehme: Kapstadt wäre nett, aber das ist ja schon in 6 Wochen, Wellington ist ewig weit, das lohnt sich nicht, aber was wir angedacht haben ist Ilhabela, das ist gut zu erreichen, wir haben dann gerade die beiden schweren Etappen hinter uns und sind um Kap Horn herum. Dahin kommt vielleicht meine Mutter und meine Freundin. Danach sind wir in den USA und haben vier Wochen Aufenthalt. Das würde sich natürlich schon lohnen, das dort jemand hinkommt oder wir auch rüberkommen, allerdings ist das dann auch schon die letzte Etappe...
L1: Boris segelt professionell, für Dich ist das eher ein Jahr Auszeit, wenn ich Dich richtig verstanden habe?
Felix Oehme: Ich habe vorher meine Diplomarbeit geschrieben und halte mir natürlich die Option offen, in meinem studierten Beruf zu arbeiten.
L1: Willst Du das einmal gemacht haben, um danach ein „normales“ Leben zu führen, oder kannst du Dir vorstellen, auch professionell zu segeln oder zumindest in der Segelsportbranche zu bleiben?
Felix Oehme: Ich habe Maschinebau studiert und z.B. auch bei der Berechnung eines America’s Cup-Kiels mitgearbeitet, das finde ich auch spannend. Technik und Forschung für ein Team wären eine Möglichkeit. Das hängt natürlich alles von der Jobsituation ab, wenn ich wieder da bin.
L1: Ich weiß nicht, wie sehr ihr Euch zur Zeit damit belastet, aber hier geht es im Finanzsystem ja zur Zeit chaotisch zu, staatliche Garantien müssen für Sparkonten abgegeben werden, damit den Banken nicht das Geld abgezogen wird.
Felix Oehme: Ja, das bekommen wir alles mit und sind eigentlich ganz froh, dass wir jetzt lossegeln.
L1: Was habt ihr zur Verfügung, um uns auf dem Laufenden zu halten, wenn ihr auf See seid?
Felix Oehme: Wir schreiben Texte, schicken Fotos und können Filme in geringer Auflösung versenden. Wir sammeln das Videomaterial und im Hafen gibt es das dann auch in höherer Auflösung. Ein Kameramann vom WDR hat uns beigebracht, wie man an Bord gut filmen kann.
L1: Infos werden wir dann auf der Beluga-Seite [Anm: www.beluga-racer.com] und auf der Eventseite [Anm: www.portimaoglobaloceanrace.com] lesen. Vielen Dank, das war ein sehr interessanter Einblick. Ich wünsche Euch alles gute und werde am Race Tracker über Euch wachen.
Fotos: Ingrid Abery/www.hotcapers.com. Vielen Dank dafür.