Freitag, 24. Oktober 2008

BELUGA RACER - Auf der Suche nach dem SE Passat

Der neuste Bericht von Boris und Felix beim Portimao Global Ocean Race:

Oktober 24, 2008

Während der Dax runter bricht, treiben wir rückwärts.

(von Boris) Einige Tage haben wir nichts von uns hören lassen. Bitte entschuldigt. Unser knappes Zeitpensum war mit der Vorbereitung des Videos aufgebraucht. Jetzt ist der Prozess aber eingeübt und so können wir den Output erhöhen. Zunächst hatten wir Probleme mit dem “capturen” des HDV Materials. Einer der Punkte, der dem Kürzungsrotstift während der knappen Vorbereitung zum Opfer gefallen war. Ich verstehe nun, warum auf Volvobooten Vollzeitvideoleute mitfahren und auf Vendeeschiffen Formel1 artige vollautomatisierte Videoinstallationen mit von Land fernsteuerbarem Schneideplatz eingebaut werden.

Nicht, dass wir hier falsch verstanden werden. Was uns 24 h am Tag umtreibt, ist die Suche nach dem SE Passat. Wir betrachten Quicksat Bilder, um uns ein Bild der Wetterlage zu machen. Diese werden von Noaa Satelliten aufgenommen und analysieren per Infrarot anhand des Kräuselns der Wasseroberfläche die Windfelder auf den Ozeanen.

Viel Vorhersagen kann man in dieser äquatornahen Kalmenzone (der ITC) allerdings nicht. Die Prämisse lautet, so schnell wie möglich nach Süden zu kommen. Dazu halten wir nach dunklen Wolken Ausschau und versuchen ihre Westseite zu treffen. Zwischendurch schläft der Wind komplett ein. Dann krachen die Segel im chaotischen Schwell nervenaufreibend hin und her. Der Schwell scheint von beiden Passaten, dem NE und SE Passat, also von Norden und Süden in diese Zwischenzone reinzulaufen und verursacht diese chaotische, recht hohe See.

Gestern Mittag haben wir so eine Flaute genutzt (wir trieben langsam rückwärts), um unsere gebrochene Großsegellatte auszuwechseln. Gar kein so leichtes Unterfangen bei dem besagten Schwell. Man muss den Großbaum festzurren und sich gut festhalten, um auf dem nun ohne die “Stützsegel” unkontrolliert schlingernden Schiff keinen Abgang zu machen.

Anstrengend für die Nerven. Die Stimmung bleibt aber gut und wir vermuten alle halbe Stunde nach der nächsten Wolke den SE-Passat. Die Franzosen nennen dieses Gebiet “Pot au Noir”. Und tatsächlich es verfinstert sich gestern Abend angesichts riesiger, schwarzer Gewitterwolken. Wir setzten sofort den Spi in Erwartung der Gewitterböen, die uns bitte mit 20 Knoten Speed aus dieser klimatischen Waschküche treiben sollen.

Und tatsächlich, die Wolke “trägt” uns 3 Stunden mit 10 Knoten in die richtige Richtung. Unser Vorsprung gegenüber Philippe wächst sogleich von 90 auf 120 Sm an. Preis der Aktion ist das Risiko, im nunmehr Stockdunklen in unkontrollierbare Gewitterböen zu gelangen. Wir sind beide mit Rettungsweste, Stirnlampen und unseren Kappmessern an der Hüfte bewaffnet, bereit, um uns jederzeit aus drohendem Schlamassel zu befreien. Doch wir sind schneller als die Wolke. Das Schwarz löst sich in Dauersturzregen auf.
Felix hat die dankbare Aufgabe, bis zum Morgengrauen die Wache zu übernehmen und gänzlich durchzuweichen.

Noch einen halben Tag geben wir Rasmus, dann werden unsere Forderungen nach stetem SE Passat aus der richtigen Richtung vehementer und wir verweigern oder vergrößern dann die Opfergaben an Rasmus. Jedenfalls kann er sich auf etwas gefasst machen.

Freunde emailen uns gelegentlich Finanznachrichten von ihrem Bloomberg-Terminal. Durchaus zu vergleichen: Die ITC ist für den Segler so quälend wie für den Banker die Ungewissheiten einer heraufziehenden Krise.

Während der Dax runter bricht, treiben wir rückwärts.
Liebe Grüße von 3 Grad 50 Min Nord

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