Boris und Felix werden ohne Scheu als die Favoriten in dieser Regatta gehandelt, haben sie doch die ersten beiden Etappen bereits gewonnen. Klare Sache. Waren wir bislang gewöhnt, dass die "Beluga-Boys" auch die ganzen Etappen hindurch immer an erster Stelle liegen, hatten sie sich diesmal mal bis zu 50 Meilen hinter dem Ersten eingereiht. Nichts Dramatisches, so weit.
Aber Boris und Felix wären nicht die kecken Nordlichter, die wir kennen, wenn sie jetzt nicht den Sprung an die Spitze getan hätten. Denn es steht das erste Scoring Gate bevor, wo es Punkte auf den Gesamtsieg zu sammeln gilt. Und da kann man ja ruhig kurz mal aufs Gaspedal treten, schließlich geht es um was. Ein gutes Pferd springt halt nicht höher, als es muss. Und gezeitet wird schließlich im Ziel - und am Scoring Gate.
Hier der aktuelle Bericht:
März 6, 2009
Boris Herrmann/Felix Oehme segelten mit Volldampf an die Spitze
Den Regattaseglern des Portimão Global Ocean Race rund um die Welt steht ein spannendes Wochenende bevor: Am Freitagvormittag (6. März) befand sich das Teilnehmerfeld im Endspurt auf das so genannte Scoring Gate, einem Wertungstor nach etwa einem Drittel der dritten Etappe über 7.200 Seemeilen von Wellington/Neuseeland nach Ilhabela/Brasilien. Über Nacht hatten Boris Herrmann und Felix Oehme (Kiel/Hamburg) auf der „Beluga Racer“ die Führung übernommen und gut zwölf Seemeilen vor Felipe Cubillos und José Muñoz auf der „Desafio Cabo de Hornos“ aus Chile beste Chancen, die zwei Punkte für die Ersten zu verbuchen. Dahinter lauerte nach zwei Wochen mit ungewöhnlich wenig Wind ein Sturm mit zehn Meter hohen Wellen.
Ein Monstertief mit 930 Hektopascal (hPa) im Südostpazifik sowie ein Hochdruckgebiet mit 1025 hPa sorgen für extreme Luftdruckgegensätze auf der Regattaroute. „Eine solche Wetterlage gibt es auf dem Nordatlantik nur alle fünf oder zehn Jahre“, vergleicht Beluga-Meteorologe Sven Taxwedel. Zum Glück seien die Yachten Anfang März relativ langsam gewesen, so dass ihnen das Schlimmste des Sturms wohl erspart bleiben dürfte. Dennoch prophezeit er für Sonntag (8. März) Windstärke sieben bis acht mit schweren Sturmböen und Schwell von zehn Metern Höhe und mehr – also typische Bedingungen für die Region südlich des 40. Breitengrads, die den Spitznamen „Brüllende Vierziger (Roaring Forties)“ trägt.
„Die Wellen sind das Gefährlichste für uns, vor allem wenn sie nicht parallel zur Windrichtung laufen“, erklärt Skipper Boris Herrmann. So genannte Kreuzseen werfen eine Yacht leicht aus dem Kurs, und abruptes Abbremsen belastet das Material allem voran den Mast besonders. „Schwächerer Wind in einem tiefen Wellental kann ebenfalls problematisch sein, wenn kurz darauf auf dem Wellenberg eine Bö einfällt und sich der Wellenkamm gleichzeitig auch noch bricht.“
Doch zunächst einmal waren die Hochseesegler froh, mit Bootsgeschwindigkeiten von mehr als zehn Knoten endlich wieder richtig vorwärts zu kommen. „Ich sehe die Chilenen durchs Backbordfenster. Sie haben ein kleineres Vorsegel als wir gesetzt und müssten von daher im Moment langsamer sein“, berichtete der wachhabende Herrmann in der Nacht zu Freitag zufrieden, „Michel Kleinjans segelt auf der anderen Seite neben uns, nur die Briten liegen weiter im Süden.“ Was sich wie ein Kurzrennen vor der Küste anhörte, war tatsächlich die Situation nach 13 Regattatagen und 2.000 Seemeilen auf hoher See. Die Gegner schenkten sich keinen Meter und sorgten andauernd für Hochspannung pur.
Co-Skipper Felix Oehme schlief gerade in der Koje, als der 27-Jährige am Navigationstisch bei einer „unangenehmen seitlichen Welle“ bangte, ob die „Beluga Racer“ unter der Selbststeueranlage aus dem Ruder laufen würde. Der Wind wehte am Rande eines Tiefausläufers mit 18 bis 25 Knoten, das sind fünf bis sechs Beaufort, allerdings genau aus West. „Wir kreuzen vor dem Wind und halsen alle paar Stunden“, so Herrmann weiter, „damit wir die Eisgrenze am 45. Breitengrad Süd nicht überschreiten“. Sie wurde von der Regattaleitung zur Sicherheit eingerichtet. Später übernahm der geborene Lübecker Oehme (ebenfalls 27) in seiner Wache das Ruder: „Der Autopilot steuert bei dem Schwell zu konservativ und kann trotzdem oft den Kurs nicht halten.“ Das Steuern per Hand sollte sich auszahlen.
Rund 24 Stunden vor der Punktwertung analysierte die Crew: „Felipe müsste eigentlich versuchen, immer in unserer Nähe zu bleiben, und auf sein Geschwindigkeitspotential vertrauen.“ Die „Desafio Cabo de Hornos“ hat konstruktionsbedingte Vorteile und könnte theoretisch schneller sein – wenn ihre Crew das Optimum herausholt. Von daher gebe es für die Chilenen keinen Grund, taktisch etwas zu riskieren. Doch seglerisch haben die Deutschen offenbar immer noch Vorteile. „Wir haben uns im vorentscheidenden Moment abgesetzt und wollen nun die beiden Zähler einsacken.“ In der Gesamtwertung führt die „Beluga Racer“ mit 24 Punkten vor dem südamerikanischen Boot (18,5).
Der Blick auf den Racetracker im Internet (www.globalracetracker.com), mit dem der Rennverlauf und die Positionen der Yachten alle drei Stunden aktuell verfolgt werden können, zeigte nicht nur, wie dicht die Konkurrenz nach fast 4.000 Kilometern noch beieinander lag. Dort wurde auch das Windfeld des Sturmtiefs abgebildet, und zwar mit vielen violetten (45 Knoten) und sogar einem schwarzen Pfeil, der für 50 Knoten mittlere Windgeschwindigkeit steht. Das ist Stärke zehn und spricht in der Spitze für Orkanböen, allerdings südlich der Eisgrenze.
In den ersten zwei Wochen nach dem Re-Start in Neuseeland hat das Feld schon zwei ausgedehnte Flauten erlebt, in denen es mehr als vier Tage im hochgerechneten Zeitplan verlor. Denn nach der Rundung von Kap Hoorn, dem Südzipfel Südamerikas, ist erneut leichterer Wind zu erwarten. Und am Freitag hatten die Teilnehmer insgesamt immer noch etwa 5.000 Seemeilen vor sich. Der Zieleinlauf in Brasilien wird wohl nicht vor Ende März erfolgen, vielleicht erst Anfang April. Danach folgen noch zwei Etappen über Charleston/USA zurück in den portugiesischen Start- und Zielhafen Portimão, der Ende Juni wieder angelaufen wird.
In den hartnäckigen Flauten schien alles unerreichbar weit weg zu sein. Doch über Stunden kein einziger Luftzug und spiegelglatte See hatte das Beluga-Team sogar fasziniert. „Die Stimmung war regelrecht schön, und genervt sind wir deswegen überhaupt nicht“, sagte die Crew übereinstimmend, obwohl sie zwischenzeitig mit fast 50 Seemeilen Rückstand den Anschluss an die Spitze zu verlieren drohte, „auch das gehört zum Hochseesegeln dazu.“ Pfannkuchen, Rührei und weitere gefriergetrocknete Delikatessen hielten Leib und Seele zusammen. Herrmann: „Das Schiff läuft, wir haben keine Schäden zu beklagen und sind optimistisch, uns geht es wirklich blendend.“
Mehr Infos, Bilder und der Race Tracker auf www.beluga-racer.com