Januar 6, 2009
(von Boris) Mit Überqueren des 115. Längengrades haben wir vorgestern das zweite von drei Kaps der klassischen „Route der drei Kaps“, wie sie ja genannt wird, passiert, nämlich Kap Leeuwin. Mit Leeuwin ist es wie mit dem Kap der Guten Hoffnung und Kap Horn, es sind jeweils gar nicht die exponiertesten Außenposten, die südlichsten Zipfel, es sind viel mehr symbolische Orte, jedenfalls Kap Leeuwin. Außer den nach Perth abgelaufenen Vendée-Stars, Dominique Wavre, Mike Golding und Loic Peyron kommen die Teilnehmer von Weltregatten dem Kap Leeuwin wohl selten näher als wir jetzt gerade mit 700 NM. Unsere Route ist keinesfalls davon beeinflusst, viel mehr von unserem imaginären Kap, dem Gate, dass wir im Süden lassen müssen.
Denn, was man auf dem Race-Tracker unseres Portimao Races nicht sehen kann, ist, dass der direkte Weg von hier nach Wellington auf einem Großkreis, einem sanften Südbogen verläuft. Steuern wir immer geradewegs auf Wellington zu, ändert sich die Peilung mit jedem halben Tag um einige Grad. Unsere Peilung jetzt beläuft sich auf 105 Grad und damit südlicher als es die rote Linie auf dem Tracker suggeriert. Gleiches galt auch zwischen den Gates. Unser Südbogen dort ist tatsächlich die kürzeste Verbindung zwischen den Gates. Na gut ich muss zugeben, wir haben den Großkreis etwas nach Süden ausgedenhnt, weil dort wiederum mehr Wind war. Felix sagte: „Der größte Leebogen meines Lebens.“
Filipe ist einen etwas längeren Weg gesegelt und trotz größerem Speed nicht vor uns gekommen. Diese am Tracker nicht unmittelbar zu sehenden Relationen, diese optischen Irritationen ergeben sich aus der Mercator-Projektion der gekrümmten Erdoberfläche auf eine Ebene. Es gibt leider anscheinend keine elektronischen Seekarten, die die Großkreis-, bzw. gnomische Projektion darstellen können. Papierseekarten können das allerdings sehr wohl.
Wir haben unsere Halse gestern so platziert, dass wir auf dem neuen Backbord-Bug genau die Layline (Anliegelinie) zum Gate-Ost treffen, so dass wir, ohne noch einmal halsen zu müssen, zum Gate kommen. Das scheint geglückt zu sein. Während ich dies schreibe kontrolliere ich regelmäßig unsere Position mit dem Navigationsprogramm „Maxsea“, um nicht mit einem unbemerkten Winddreher versehentlich doch ins Gate zu laufen und dann den Zorn von Race Director Josh Hall fürchten zu müssen.
Wenn dieser Artikel online geht, sind wir wahrscheinlich gerade am Gate vorbei. Da der Wind genau in die Richtung weht, in die wir wollen, müssen wir vor dem Wind mit einem Halsenwinkel von 70 bis 80 Grad kreuzen. Den momentanen Schlag nach Süden setzen wir ab, da wir im Süden mit mehr Wind rechnen und außerdem mit einem Linksdreher. So segeln wir gewissermaßen wie bei einer Jollenregatta in den Dreher, wenn denn die Vorhersage stimmt.
Die nächsten Tage scheinen wettermäßig eher ruhig abzugehen. Sobald es ruhiger werden sollte, werden wir die Gelegenheit nutzen, um in den Mast zu steigen und einen Routinecheck zu unternehmen. Auf die ersten Sonnenstrahlen in einem nicht permanent von eisigem Wasser durchfluteten Cockpit warten wir sehnlichst, so dass wir dann eine Dusche unter freiem Himmel nehmen können, ohne zu sehr die harten Jungs spielen zu müssen. Zur Krönung erhitzen wir Seewasser in einem Kessel, schütten es in einen Eimer und übergießen uns dann mit dem warmen Wasser. Das ist die Dusche. Das Wasser warm zu machen, ist irgendwie naheliegend. Wenn ich nicht Uwe Röttgerings Buch gelesen hätte, wäre ich allerdings nicht selber auf die Idee gekommen, glaube ich.
Wir haben unterdessen ein paar Sorgen mit unserem Autopiloten. Ein essentielles Teil, der Ruderlagegeber, ohne den kein Autopilot funktioniert, macht uns mit einer unberechenbaren Unzuverlässigkeit zu schaffen. Wir werden das Teil in Wellington austauschen, es hat ja noch Garantie und werden bei der Gelegenheit gleich eine Redundanz einbauen. An dem Punkt haben wir ein kleines Detail bei der Vorbereitung übersehen. Von diesem 50 Gramm schweren Ersatzteil kann der Erfolg der Etappe abhängen. Ein Fehler des Piloten kann das Boot in einer Patenthalse ernsthaft in Gefahr bringen.
„Bestimmt hat noch nie jemand eine systematische Zuverlässigkeitsanalyse, wie beispielsweise bei einem Flugzeug, durchgeführt“ räsoniert Ingenieur Felix. Sollten wir jemals in eine Open60-Kampagne involviert sein, wäre dies jedenfalls ein naheliegendes Projekt.
Wie geht es jetzt weiter? Von Tasmanien werden wir wohl nichts zu sehen bekommen. Ein Hochkeil soll sich dort bilden. Doch wird uns unsere Route weit nach Süden, vielleicht sogar bis auf 50 S führen, bevor wir dann Richtung Neuseeland Kurs absetzen. Wir erwarten die Ankunft etwa für den 17. Januar.
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