Boris und Felix haben einen historischen Sieg errungen. Glückwunsch! Der Bericht im O-Ton:
Kapstadt: Impressionen von der Rückkehr in die Zivilisation
November 22, 2008
Die letzten Meilen
Um drei Uhr nachts schreibt Felipe von Bord der Desafio Cabo de Hornos eine Email mit Glückwünschen. Die Nacht ist sternenklar. Wir preschen unter Genua und Groß halbwind mit 10 Knoten dem Ziel entgegen. Noch 60 Seemeilen. Eine lange Urlaubstörndistanz - für uns schon Hektik wegen der nahenden Ankunft: Flaggen anbringen, Kameras vorbereiten usw. Ein warmer Wind weht aus Süden.
Man spürt die Wärme Afrikas. Berge tauchen am Horizont auf. Vögel fliegen uns entgegen. Markante Bergumrisse schälen sich heraus. Den Tafelberg identifizieren wir erst etwas später. Der Wind raumt. Wir setzen den Code5 am Bugspriet. Beluga Racer nimmt einige Wellen im Surf.
Die väterliche Stimme von Racedirektor Josh Hall am Telefon: „good boys“. Ein Hubschrauber ist plötzlich da. Die ersten Gesichter seit 35 Tagen. Renn-Gründer Brian Hancock ist auch im Heli. Ein besonderer Moment unserer Freundschaft. Im Mai hatte ich nach dem Artemis Transat in Marbelehead bei ihm gewohnt. Sein Rennen existierte erst auf dem Papier, seine Frau hat nicht mehr daran geglaubt, das Geld war alle und jetzt, ein gutes halbes Jahr später, schaut er von oben auf uns, im Hintergrund der Tafelberg, die glitzernde See, Gischt. Seine Vision ist Wirklichkeit, die Vision eines Rennens im alten BOC-Spirit, für Profis (Dave Thompson, José Muñoz)und Amateure, Abenteurer mit Herz, jene, die noch nicht Rockstar genug sind für ein Vendée Globe oder Volvo Ocean Race, zu abgeklärt für den ganzen Zirkus (Michel Kleinjans), für erfahrende Regattasegler, die in ihrem Leben bisher andere Prioritäten gesetzt haben, die Familie und Unternehmen aufgebaut, Projekte, Chareties und Vereine ins Leben gerufen haben (Felipe, Jeremy, Nico und Michel).
„Portimao One, Portimao One - Beluga Racer“ krächzt es aus dem UKW-Funkgerät in meiner Brusttasche. Motorboote kommen uns entgegen und einige Segelyachten. Wir winken.
Felix und ich beziehen Position am Heck in Luv am Backstag mit unseren Handfackeln. Die Beluga Racer steuert die letzten 200 Meter selber unter Autopilot Richtung Ziellinie. Der Helikopter ist auf Augenhöhe mit uns nur 20 Meter entfernt, Motorboote rund herum. Leute winken und rufen. Lautes Hupen und Tuten als wir die Linie überqueren.
Das erste Bier
Christine und Marcus vom Sponsor „Beluga Shipping“ springen an Bord und reichen uns eine Flasche Champagner, Josh klettert mit einem Sixpack eiskaltem Bier an Bord, Clive Londsdale der Rennkameramann, ein charismatischer Dokumentarfilmer, entert uns ebenfalls. Das Boot wird uns aus der Hand genommen, wir werden mit Fragen und Glückwünschen überschüttet.
Unter Motor erreichen wir unseren Liegeplatz vor der Yachtclubterrasse. Viele stehen dort und klatschen und winken. Die Stimmung der Szene ist aufgeregt und freudig. Einige Kinder schauen mit ganz großen Augen.
Die Augen der anderen
Josh Hall hat selber ein Vendée Globe „accomplished“. Er weiß, wie es da draußen ist. Er hat auch zwei BOC Rennen (einhand in Etappen um die Welt) gesegelt. Er weiß, wie es ist, in Kapstadt anzukommen. Es ist sein Rennen. Ich weiß, was er in den letzten drei Jahren hinter sich gebracht hat, um dies möglich zu machen. Unsere Blicke treffen sich, in der ganzen Aufregung, dem Gewusel voller Adrenalin, ein unbewusster Bruchteil einer Sekunde nur, der für immer verbindet.
Wir essen natürlich unser Steak. Es schmeckt köstlich. Doch dann geht es auch schon wieder los, Felipe und José empfangen. Wir heizen mit einem großen Schlauchboot auf See hinaus, sehen erst nichts, dann einen kleinen Punkt und schon bald die urchilenische Indianerzeichnung auf dem Segel. Das knallrote, radikale Boot auf dem schaumgekrönten knallblauen Wasser sieht phantastisch aus. Diesmal sind wir es, die mit dem Bier an Bord springen und das Schiff fürs Anlegen übernehmen. Wir gratulieren uns gegenseitig. Die beiden sind genauso stolz wie wir. Sie gönnen uns den knappen Sieg. Doch in diesem Sport, der einen so verändert, bei dem man so viel durchmacht, sind sie genauso Sieger, wie wir. Felipe spricht in die Kamera. Kann seine Begeisterung nicht verbergen: er hat in Chile ein Microentrepreneurship-Projekt gegründet bei dem Studenten einer Business School ihr Fachwissen einbringen, um Kleinstgründern vom Land bei der Verwirklichung ihrer Projekte zu helfen. Diese Studenten, die Kleinbauern und Gründer haben das Rennen verfolgt und mitgefiebert. José und Felipe können es nicht erwarten, sie planen eine Stipvisite in der Heimat, um mit ihrem wachsenden Anhängerkreis zu feiern. Felipe war bisher ein „Midager“, ein Unternehmer und guter nationaler Regattasegler in Chile. Er sieht heute im Ziel jünger und älter aus. Er ist mager und sein Gesicht zerfurchter, als vor dem Start, er ist salzverkrustet, aber seine Augen lachen und strahlen mit einer neuen jugendlichen Energie und Begeisterung, als wäre er gerade neu geboren, als hätte er erst angefangen zu leben und noch 100 Jahre vor sich. Das steckt an. Er inspiriert mich als Vorbild.
Die ersten Tage an Land
Wir werden herzlich empfangen. Die Familie Baumann hat uns über die Website kennengelernt. Sie nehmen uns bei sich auf und uns mit in den Rotary Club, wo wir einen Vortrag halten. Admiral Louw der südafrikanischen Marine hebt zu einem Toast an: „Dort müssen wir hin, das ist gut Investiertes Geld, unsere südafrikanischen Kinder im Optimisten sind von dem Rennen inspiriert und wollen später Segelprofi werden, danke an Beluga dieses Projekt zu sponsern!“ Am nächsten Tag geht es wieder im Schlauchboot auf See mit einigen Leuten vom Delta Lloyd Team, Landsmännern von Michel Kleinjans, dem charismatischen, bekannten belgischen Einhandsegler. Dave Thompsons Urteil über Michel in urbritischem Ausdruck: „He is so layed back – he is fucking horizontal man!“ In der Tat: Michel flüstert uns ins Ohr, er sei extrem ausgeschlafen, damit er heute Nacht richtig feiern könne. Sein Mast wird von einigen Lashings gehalten, die er einhand oben im Mast während des Rennens gespannt hat, um gebrochene Wanten zu ersetzen - ganz ohne groß Aufsehen zu machen. Sein Kommentar abends zu den Schwierigkeiten auf See: „The only problem today with SatCom is that you have to call your wife every once a week.“ Seine Firma läuft, während er auf See ist, ohne Kapitän im kontrollierten Chaos, wie er sagt. Der Mann ist ein Vorbild für Unaufgeregtheit.
Boris
Fotos: www.beluga-racer.com